In alten Gartenbüchern und Überlieferung ist gelegentlich die Rede von Rapuntika, Rapunzeln, und Rapunzelwurzeln. Im folgenden Artikel sollen die feinen Unterschiede in Verwendung und im Anbau von diesen Gewächsen näher erläutert werden. Der nachfolgende Text stammt aus: J.F.A. Volborth (1822): Hand-Lexikon für Küchengarten-Freunde, oder Anleitung über Kenntnis und Kultur aller in einem guten Hauswesen unentbehrlichen Küchengarten-Gewächse in alphabetischer Ordnung
Rapuntika – Oenothera biennis
Diese Rapuntika, auch Rapunzelwurzel, Rapunzelsellerie, Wurzelrapunze, große Rübenrapunzel genannt, muss von der eigentlichen und kleinen Rübenrapunzel, campanula ranunculus, wohl unterschieden werden. Denn ob beide gleich zu einerlei Zweck erbauet und fast auf einerlei Art behandelt werden, so sind es doch zwei ganz verschiedene Gewächse, welches man schon an der Verschiedenheit des Samens erkennen kann. Denn der Same der kleinen Rübenrapunzel ist äußerst fein, der aber der Rapuntika ist gröber, eckig und kaffeebraun. Siehe Lüders Garten-Briefe, Th. 2. S. 265.
Die Rapuntika liebt einen etwas schattigen, feuchten und schweren Boden, der zwar noch in guter Besserung, aber nicht frisch gedüngt sein muss. Wenn man sie als Küchengewächs anbaut, so muss der Samen nicht eher, als gegen Ende Mai oder Anfang Juni gesät werden, damit sie nicht in demselben Jahr zur Blüte kommen kann. Denn sobald sie Samenstängel getrieben hat, sind ihre Wurzeln zum Gebrauche als Salat untüchtig. Der Same derselben muss entweder gleich so dünn gesät werden, dass die knollichten Wurzeln Raum genug finden, oder die Pflanzen müssen nachher verzogen oder mit der Hacke auf 8 bis 12 Zoll verdünnt werden. Als Blume wird sie verpflanzt, nicht gern aber als Küchengewächs. Dagegen aber muss sie, wie der Sellerie, fleißig mit der Hacke bearbeitet werden, wenn ihre Wurzeln die nötige Stärke erhalten sollen.
Gegen den Herbst werden ihre Wurzeln brauchbar, und nun können sie, wie man sie verspeisen will, nach und nach immer frisch ausgehoben werden. Die übrigen bleiben entweder auf ihrer Stelle stehen, oder werden ausgehoben und eingeschlagen, oder im Keller aufbewahrt. Sie wird eben so benutzt, wie der Sellerie, entweder als Salat allein, oder mit anderen Salatarten vermischt, in Scheiben geschnitten, welche rötlich aussehen, und weicher und zarter sind, als der Sellerie. Die Wurzeln bleiben so lange brauchbar, bis die Pflanzen Samenstängel treiben, weshalb der Überrest im Frühjahr bei Zeiten aufgenommen werden muss, ehe er in die Höhe geht.
Zum Samen lässt man so viel im Lande stehen, als man nötig zu haben glaubt. Er wird nicht zusammen reif, sondern nach und nach, und muss daher, so wie er von unten hinauf reif wird, abgenommen und gesammelt werden. Tut man dies nicht, so erhält man nicht allein keine Samen, sondern man verunreinigt sich auch den Garten. Dies hat man aber nur alle 3 bis 4 Jahre nötig; denn so lange bleibt der Same brauchbar.
Rapunzel – Valeriana locusta olitoria
Der Rapunzel, Winterrapunzel, Feldsalat, Mausöhrchen, Lämmerlattig, Nüßgensallat, Schaafsmelle usw. wächst auch wild auf die Äckern, ist dann aber so zäh und unschmackhaft, dass er kaum gegessen werden kann. In den Gärten gezogen, ist er weit milder und angenehmer, weshalb man darauf sehen muss, dass er im Herbst und Frühjahr, wo es an anderen Salatkräutern fehlt, immer im Überflusse da sei.
In Absicht des Bodens macht er gar keine großen Ansprüche; denn er wächst allenthalben, und ist auch mit jedem Standort zufrieden. Doch wird er in etwas magerem Gartenland schmackhafter, in schweren und fetteren Boden aber größer und breiter an den Blättern.
So lange es andere Salatkräuter im Sommer gibt, verlangt niemand Rapunzel zu essen, ja er ist auch nicht ein mal recht eßbar. Deshalb darf man den Anfang der Aussaat des Salates nicht vor dem August machen. Von dem August an aber bis in den November muss man immer von 14 Tagen zu 14 Tagen neue kleine Aussaaten machen, um ihn immer jung zu haben. Denn je älter er ist, desto weniger schmackhaft ist er, wenigstens darf man dann nur die jüngsten und kleinsten Blätter zum Salat nehmen. Auf diese Weise kann man vom Herbst an bis zum Frühjahr immer einen Salat haben, der nicht nur angenehm schmeckt, sondern auch sehr gesund ist.
Mit keinem Gartengewächs kann man leichter fertig werden, als mit diesem. Man hat weder das Land zu graben, noch zu düngen nötig. Will man ihm keine eigenen Beete gönnen, so streut man ihn unter andere Gewächse, wo das Erdreich durch den Regen noch nicht sehr fest geschlagen ist. Denn wo er nur lockere Erde findet, da geht er auf, ohne nur ein Mal untergeharkt worden zu sein. Man wirft ihn deshalb, etwa vor einem Regen, auf ein Feld, das entweder so eben mit Johannislauch bepflanzt worden war, oder unter den Porree, welcher länger stehen bleiben soll, als der Rapunzel, oder auf die Gurkenfelder, wo er dann da steht, wenn die Gurken mit ihren Ranken Platz gemacht haben usw.. Gibt man ihm aber eigene Felder, so hackt man, wenn es gehen will, 14 Tage bis 3 Wochen vorher die Oberfläche um, harkt sie fein und lockt dadurch das Unkraut heraus. Wenn man dies nicht tut, und der Same vielleicht etwas lange in der Erde liegt, so steht man in Gefahr, das Unkraut nicht bekämpfen zu können. Dieses aber dem Rapunzel aus dem Wege zu schaffen ist fast die einzige Mühe, die man auf ihn zu verwenden hat. Ihn ganz flach unter zu harken, ist in diesem letztern Falle immer ratsamer, als zu warten, bis ihn etwa nach mehreren Wochen ein Regen bei seite schlägt. Ob man gleich jetzt allenthalben behauptet, dass es gleichgültig sei, ob man frischen oder alten Samen aussäe: so ist doch so viel durch die Erfahrung ausgemacht, dass der frische Same länger in der Erde liegt, eher er aufgeht, als der alte.
Der Gebrauch desselben ist zu bekannt, als das ich davon ein Wort sagen dürfte.
Um immer hinlänglich Vorrat von alten Samen zu haben, den man 4 bis 5 Jahre gebrauchen kann, muss man nicht hier und da im Garten eine Pflanze stehen lassen, um von derselben Samen zu gewinnen, sondern man muss ein eigenes Beet, wenn es auch nur klein ist, dazu bestimmen. Denn der Same fällt gar zu leicht aus, wenn man auch die größte Vorsicht anwendet, und verunreinigt den Garten im Sommer, wo man den Rapunzel nicht gebrauchen kann. Deshalb muss man, sobald bemerkt, dass einige Körner reif sind – und dies kann man am besten bemerken, wenn man unter den Busch sieht, und einige reife Samenkörner findet, – sogleich die ganze Pflanze behutsam aufziehen oder abschneiden, sie auf ein Tuch oder wenigstens auf ein solches Beet legen, wohin man bald Samen säen will, und ihn da nachreifen lassen. Abreiben lässt er sich dann sehr leicht, wenn er recht trocken ist. Der Same ist übrigens, wenn er gut aufbewahrt wird, mehrere Jahre brauchbar.
Rapunzelwurzel – Campanula rapunculus
Die kleinen Rapunzenwurzel, die in den Gartenbüchtern unter dem Namen Rapunzelwurzel gefunden wird, ist jetzt auch unter dem Namen Salatwurzel bekannt. Man hat von derselben 2 Sorten, die kleine weiße und die große gelbe Rapunzelwurzel. Ihre Wurzeln, welche ebenfalls, wie die Rapuntika-Wurzeln als Salat gegessen werden, sind rund und fleischig. Sie wird gegen das Ende des Mai’s oder Anfang des Junius ausgesät, und in allen Stücken, wie die Rapuntika oder große Rapunzelwurzel behandelt, nur dass ihre Pflanzen nicht so viel Raum erfordern. Siehe Rapuntika.