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Sorten und Saatgut

Erfahrungen beim Samenarchiv Gerhardt Bohl

Update Juni 2023: Das Samenarchiv Gerhard Bohl hat nun offiziell eine neue Adresse (und verschickt auch wieder Saatgut), die ich mit dem Einverständnis von Herrn Bohl hier freigeben werde:

Gerhard Bohl
Versandgärtnerei Susanne Bohl
Rauenstadt 18
D-91550 Dinkelsbühl

Man kann für 5€ zwei DVD’s oder für 10€ einen USB-Stick mit dem Sortenbuch vom Samenarchiv bestellen.

Leider sucht das Samenarchiv immer noch einen Nachfolger. Eine Gärtnerlehre ist nicht erforderlich, aber starkes Interesse an Gartenarbeit und Natur und es sollte mindestens ein guter mittlerer Bildungsabschluss vorhanden sein. Wer sich hierzu berufen fühlt, kann Herr Bohl gerne an die neue Adresse einen Brief schreiben.

UPDATE 2023: Der nachfolgende Artikel ist 8 Jahre alt! Das Samenarchiv Bohl ist umgezogen (und befindet sich nicht mehr in Schwanstetten). Auch wurden die Versandaktivitäten vorerst zurückgefahren/eingestellt. Ob Herr Bohl an seiner neuen Adresse wieder Bestellungen annimmt, kann ich nicht sagen. Mein letzter Erkenntnisstand ist, dass aus Altersgründen ein(e) Nachfolger(in) für Herr Bohl bzw. das private Samenarchiv Bohl gesucht wird, der die Versandgärtnerei übernehmen kann. Bei Interesse an der Übernahme der Gärtnerei wenden Sie sich bitte an admin@derselbstversorger.net, ich werde Ihre Nachricht dann an Herrn Bohl weiterleiten.

In diesem Artikel möchte ich über meine Erfahrungen mit dem privaten Samenarchiv von Gerhard Bohl berichten. Schon vor zwei Jahren hatte ich ein Sortenbuch bei ihm bestellt und dieses Jahr habe ich es geschafft, meine erste Bestellung aufzugeben. Vorneweg sei gesagt: Ich war erstaunt von der ungeheuren Vielfalt der Samen, die das Samenarchiv Bohl anbietet. Alleine die Auswahl an alten Tomatensorten versetzt einen ins Staunen, solch ungeheure Vielfalt wird man wohl nirgends sonst auf der Welt bekommen.

Was ist das private Samenarchiv von Gerhard Bohl überhaupt und welche Ziele verfolgt es?

Die letzten 60 Jahre waren in vielerlei Hinsicht sehr großartig für den Menschen. Die menschliche Population verdoppelte sich seit 1950, angewachsen von 2,5 Milliarden von 1950 auf mittlerweile 7.3 Milliarden Menschen heute. Die menschliche Gesundheit, Ernährung und Lebenserwartung wurde dramatisch verbessert. Manche Pflanzensorten sind ertragreicher denn je, die landwirtschaftlichen Erträge haben sich vervielfacht. Gut sollte man meinen?

Die selbe Periode war leider ganz und garnicht so rosig für andere Individuen, die seit jeher eine friedliche Coexistenz mit dem Menschen lebten. Wir Menschen sind gerade dabei, das 6. große Massenaussterben in der Erdgeschichte anthropogen herbeizuführen, ein Massenaussterben, dessen Dimensionen und Ausmaß so gewaltig sein werden, dass wir es mit unserer menschlich begrenzten, geistigen Kapazität niemals erfassen können. Durch die Rodung der Wälder und andere Einflüsse sterben täglich schätzungsweise 150-200 unerforschte Tier und Pflanzenarten aus. Arten, die sich über jahrmillionen in der Erdgeschichte manifestiert haben, werden durch den Menschen in nicht mal 100 Jahren ausgerottet. Die Artenvielfalt wird auch die kommenden Jahre noch weiterhin dramatisch abnehmen, unserem Konsum (Palmöl, Biodiesel usw.) sei dank.

Es macht mich traurig, darüber nachzudenken. Die Tier- und Pflanzenwelt ist so vielseitig und eine bunte Diversität ist es, was das menschliche Leben sinnvoll macht. Wenn wir Menschen so weiterleben wie bisher, sieht unsere Zukunft noch düsterer aus, als sie eigentlich jetzt schon ist. Ein kleines Licht am Ende des Tunnels ist allerdings Gerhardt Bohl mit seinem privaten Samenarchiv.

Das Samenarchiv von Gerhardt Bohl ist eine Einrichtung, die sich in diesem für Pflanzen dunklen Zeitalter das Ziel gesetzt hat, alte und regionale, seltene und ungewöhnliche Sorten und Arten von Pflanzen aus aller Welt zu erhalten. Man kann das Archiv als eine Art Tauscheinrichtung betrachten. Man kann auch Samen vermehren und diese zum Samenarchiv schicken. Diese werden dann gegen eine kleine Aufwandsentschädigung an Interessenten weitervermittelt, die sich dem Erhalt von alten Pflanzensorten- und Arten verschrieben haben.

Das Sortenbuch

Das Sortenbuch von Gerhardt Bohl ist wohl einer individuellsten Ratgeber und gleichzeitig auch Bestellkataloge, die ich jemals gesehen habe. Als die Brieflieferung mit der CD geliefert wurde (Das Sortenbuch kann man für 5€ bei Gerhardt Bohl bestellen), dachte ich, ok, da guckst du mal schnell drüber und bestellst dann am gleichen Abend.

Also gut, ich legte die CD ein und öffnete die Datei „Sortenbuch 2014“. Es passierte nichts. Dann, 4 Sekunden später, öffnete sich die Word-Datei. Ich war erschlagen von der Vielfalt, die sich in diesem Worddokument befindet.

Das Sortenbuch vom privaten Samenarchiv Bohl ist nicht nur einfach ein „Sortenbuch“. Es ist ein Meisterwerk, dass seines gleichen sucht. Die ersten 48 Seiten sind Einleitung, in der er über alles mögliche referiert, vom dramatischen Verlust der Artenvielfalt über große Lobbykonzerne hin zu Vermehrungstechniken bei Tomaten. Auch finden sich auf diesen unzähligen Seite zahlreiche Pflanzentipps, die ich vorher so noch nicht kannte oder praktiziert habe.

Die restlichen 560 Seiten sind gefüllt mit einer Übersicht der vorhandenen Pflanzensorten.

Die Vielfalt

Das Samenarchiv Bohl bietet unmengen an Saatgut und Knollen von Pflanzen an. Nur um mal ein Beispiel zu nennen: Es finden sich alleine schon 25 verschiedene Sorten von Wildmöhrenarten, über 3000 verschiedene Tomatensorten und ca. 700 verschiedene Bohnen. Natürlich sind auch die Standartsorten wie Tomaten, Chilis, Paprika, Pastiknaken, Erbsen und Bohnen, Tomatillo, Zwiebeln, Melonen, Kürbisse, Gurken, Zucchini und natürlich auch viele (Wild)- Blumen vorhanden. Man kann sagen, zu fast jeder Saatgutpackung die man im Baumarkt kaufen könnte, findet man im Samenarchiv Bohl MINDESTENS! 20 verschiedene Sorten. Die Auswahl ist wirklich gigantisch. Es sprengt den Rahmen, hier alles zu schreiben. Hier nur mal eine kleine Auswahl mit den Sorten und Arten, die ich dieses Jahr für die kommende Saison bestellt habe:

– Persischer Weizen „Nigro-Erectum“

– Violette Perlhirse

– Popp- und Zieramaranth „Alegria“

– Amaranth „Hopi Red Dye“

– Krauser Grünkohl „Westerländer Winter“

– Buschig wachsende Adzuki-Bohne

– Winter-Kopfsalat „Winterbutterkopf“

– Linse „Mährische Linse“

– Tomatillo „Apfelgeschmack“

– Winterharter Porree (Lauch)

– Färberwaid oder Deutscher Indigo

– Riesensonnenblume „Molly“

sonnenblumen
Ein Ausschnitt aus meiner Bestellung beim Samenarchiv von Gerhardt Bohl. Zu sehen, 3 verschiedene „Riesensonnenblumen“. Man beachte die Diversität der Samen.

Man sieht anhand der Namen schon, dass die Auswahl im wirklich gigantisch ist. Eine Einheit Saatgut kostet beim Samenarchiv Bohl in der Regel 1€. Die Tütchen sind auch sehr gut gefüllt, bei einigen Tomaten waren weitmehr wie 10 Körner als bei herkömmlichen Samenpaketen enthalten. Beispielsweiße waren in der Packung „Riesensonnenblume Molly“ mehr als 50 Samen – und das zu einem Preis von einem Euro! (Einige habe ich auch schon an Freunde abgegeben.) Instruktionen zur Bestellung finden sich dann im Sortenbuch. Diese sollte man sehr genau lesen, um eine schnelle Bearbeitung durch das Samenarchiv zu gewährleisten.

Die Bestellung

Der Bestellprozess beim privaten Samenarchiv von Gerhardt Bohl gestaltet sich etwas umständlich. Es ist keine Internetseite oder Emailaddresse vorhanden. Andere Kontaktierungen außer per Briefpost sind unerwünscht.

Am Anfang dachte ich, schade, warum hat so ein gutes Projekt keinen Internetauftritt, das sind doch verschenkte Kapazitäten? Mittlerweile finde ich es ehrlich gesagt ganz gut. Durch die Bestellung per Post entsteht eine gewisse Art „Exklusivität“, die verhindert, dass Menschen unüberlegte Bestellungen täten, ganz getreu dem Motto „Mal so nebenbei bestellen“. So kann das Samenarchiv von Bohl nur die Bestellungen von den Menschen bearbeiten, die es wirklich ernst meinen und sich ihre Bestellung gut überlegt haben. Die Fülle der angebotenen Sorten und Arten ist gigantisch – im Gegenzug sind die Kapazitäten im Samenarchiv natürlich begrenzt.

Ich bestellte Anfang Februar dieses Jahres und hatte mein Päckchen schon 1-2 Wochen später im Briefkasten. Absender: Samenarchiv Bohl ;-). Alle Achtung vor dieser Leistung, wenn man bedenkt, dass im Februar und März das höchste Bestellaufkommen ist. Wenn man zu dieser Zeit bestellt, kann es zu sehr langen Lieferzeiten kommen, was natürlich auch verständlich ist, bei der gigantischen Fülle von Anfragen. Daher am besten schon im November bestellen.

Der eigentliche Bestellvorgang ist im Sortenbuch vom Samenarchiv nachzulesen und erfolgt über den Briefverkehr. Ich kann nur jedem empfehlen, sich das Sortenbuch bei Gerhardt Bohl für 5€ zu bestellen. Dies ist definitiv eine nachhaltige Investition, die sich lohnt!

Um sich das Sortenbuch auf CD zu bestellen, muss man einfach einen Brief an

@UPDATE 2023: Diese Adresse ist nicht mehr aktuell. Vermutlich wurden die Versandaktivitäten eingestellt.

SamenArchiv, Versandgärtnerei

Gerhardt Bohl
Waldstr. 40
D-90596 Schwanstetten

mit einem 5€-Schein senden. Als Alternative kann auch ein USB-Stick für 10€ inklusive Porto erworben werden.

Das Samenarchiv ist auf Mithilfe angewiesen!

Um das Samenarchiv weiterhin erhalten zu können, ist Herr Bohl und die Mitarbeiter im Samenarchiv auf die Hilfe von außen angewiesen. Zwar werden auch viele Sorten intern vermehrt, doch könnte man alleine niemals diese Diversität erzeugen. Daher kann man bei Herrn Bohl nachfragen und sich als „Erhalter“ anmelden. Wichtig ist hier, dass man die Samenreinheit beachtet, d.h., bei der Vermehrung von Beispielsweise eines Kürbisses sollte kein Kürbis einer anderen Sorte in der Nähe stehen, da es so zu Verkreuzungen kommt. Man erhält für die Vermehrung sogar eine kleine Vergütung in Form von Gutscheinen. Genaueres Vorgehen ist im Sortenbuch erklärt – auch hier, wie immer, sehr umfangreich.

Fazit:

Das Samenarchiv Bohl ist eine gute Möglichkeit, kostengünstig an interessantes Saatgut vor allem von alten Sorten zu gelangen. Allerdings sollte man dieses System nicht ausnutzen, sondern sich selber aktiv an der Vermehrung von bedrohten und alten Sorten beteiligen.

Wer eine gute Alternative zum Samenarchiv Bohl sucht, der findet unter diesem Link weitere interessante Bezugsquellen für konventionelles und Bio Saatgut und historische und alte Sorten: https://derselbstversorger.net/bio-saatgut-kaufen-alte-sorten/

Ein Wort zuletzt: Die Inhalte dieses Artikels spiegeln lediglich meine Erfahrungen mit dem Samenarchiv Bohl wieder. Ich weiß nicht, ob sich im Bestellprozess oder in anderen Dingen mittlerweile etwas geändert hat, daher kann ich keine Garantie für die Richtigkeit und dafür übernehmen, ob die Interaktion mit dem Samenarchiv auch klappt. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass dort an den Bestellmodalitäten oft etwas geändert wird. Sobald es Neuigkeiten gibt, werde ich hier natürlich selbstverständlich darüber informieren. Viel Spaß beim Bestellen beim Samenarchiv Gerhardt Bohl 😉